IASB Practice Statement ED/2021/6 Management Commentary
In Fortsetzung seiner Befassung mit dem IASB Entwurf ED/2021/6 Practice Statement Management Commentary erörterte der Gemeinsame Fachausschuss (GFA) die Inhalte des Abschnitts C und weitere Fragen des IASB. Er ging in Teilen auch auf den von der EFRAG zur Konsultation gestellten Stellungnahmeentwurf ein.
Der GFA begrüßte die im ED bekundete Absicht des IASB, dem gestiegenen Bedürfnis der Adressaten nach zukunftsbezogenen Informationen sowie Informationen über immaterielle Werte und ESG-Themen durch die Überarbeitung stärker Rechnung tragen zu wollen. Allerdings stellte der Fachausschuss fest, dass die konzeptionelle Behandlung dieser Elemente im Entwurf nicht hinreichend prominent und explizit erfolgt. Zwar seien die für jedes dieser drei Themen im ED enthaltenen separaten Beispieltabellen angemessen und hilfreich. Die im Abschnitt „Information about long-term prospects, intangible resources and relationships and ESG matters“ des ED jedoch sehr knapp ausgefallene konzeptionelle Befassung in zwei Textziffern erscheine demgegenüber deutlich zu kurz und unspezifisch. Der GFA stellte außerdem fest, dass zum einen dieser Abschnitt im Kapitel B „Areas of content“ des ED verortet wurde, allerdings außerhalb der dort genannten und definierten Inhaltsbereiche, und dass zum anderen diese Themen in weiteren Abschnitten des ED in unterschiedler Tiefe zusätzlich Erwähnung finden bzw. behandelt werden. Das Konzept des IASB über die inhaltliche Einbettung der „Information about long-term prospects“ usw. in den Ansatz des IASB sei daher nicht deutlich erkennbar. Der Fachausschuss regte eine wesentlich dezidiertere inhaltliche und strukturiertere Befassung des IASB mit diesen Themen an.
Im Detail dazu erörterte der Fachausschuss die Notwendigkeit zur Erläuterung unternehmensspezifischer Zeithorizonte. Zwar beinhalte der ED den Hinweis, dass zukunftsbezogene Informationen grundsätzlich kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte abdecken sollten, allerdings sei die Klassifikation dieser Horizonte nach ihrer zeitlichen Ausdehnung über die Unternehmen hinweg nicht einheitlich. Daher müsse ein Standard oder Practice Statement eine entsprechende Erläuterung durch die Unternehmen fordern bzw. empfehlen, ohne dabei jedoch die zeitliche Ausdehnung konkret vorzugeben.
Der Fachausschuss bemängelte außerdem die im ED weitestgehend unterbleibende Behandlung der Governance-Berichterstattung. Da der stewardship-Gedanke in der im ED niedergelegten Zielsetzung ein explizit dargestelltes Element ist, bezeichnete der Fachausschuss die vorläufige Entscheidung des IASB, Governance-Themen nicht detailliert zu behandeln, als inkonsequent. Zudem ließe sich empirisch feststellen, dass Angaben zu Governance-Themen, insbesondere zu konkreten institutionalisierten Maßnahmen (wie z.B. Compliance-Management-Systeme) für Adressaten von erheblicher Relevanz sind. Auch der vom IASB angeführte Umstand, dass Governance und Governance-Berichterstattung nationalstaatlich bereits reguliert seien, träfe für viele Jurisdiktionen zwar zu, sei als Begründung jedoch nicht überzeugend. Zum einen müsse dies im Grundsatz auch für andere Bereiche der Finanzberichterstattung gelten, zu denen der IASB dessen ungeachtet IFRS Standards erarbeitet bzw. erarbeitet hat. Zum anderen müsse berücksichtigt werden, dass die entsprechenden nationalen Regelungen überwiegend uneinheitlich, insbesondere in Bezug auf deren Verbindlichkeit, aber auch in Bezug auf Umfang und Granularität sind. Eine internationale Harmonisierung der Governance-Berichterstattung wäre dagegen hilfreich – wie auch hinsichtlich des Abschlusses, der durch die IFRS international standardisiert ist. Der Fachausschuss stellte in diesem Zusammenhang fest, dass sich international bereits etliche Leistungsindikatoren zum Thema Governance durchgesetzt hätten. Für eine Aufnahme von Leitlinien zur Berichterstattung über Governance in den PS 1 spräche außerdem, dass die Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) entsprechende Angaben beinhalteten. Da die TCFD-Leitlinien eine wesentliche Grundlage der Vorarbeiten der IFRS Foundation für einen Standard zur Klimaberichterstattung sind, sei zu erwarten, dass Governance-Themen in diesem Zusammenhang vom International Sustainability Standards Board (ISSB) aufgegriffen werden. Durch die im ED/2021/6 angesprochene Einbettung der ESG-Berichterstattung in den Managementbericht würden Governance-Themen spätestens dann entsprechend zum Teil der Managementberichterstattung werden.
Der Fachausschuss erörterte die im ED beschriebene übergeordnete Zielsetzung des PS 1 auch in einem breiteren Zusammenhang im Hinblick auf die in Kürze erwartete Etablierung des ISSB und der von ihm zu erarbeitenden Berichtsstandards. Dabei thematisierte der GFA abermals das Spannungsfeld der sog. Dynamic Materiality vor dem Hintergrund der doppelten Wesentlichkeit bzw. Relevanz:
Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Auseinandersetzung mit der Frage, ob es bestimmte inside-out-Effekte geben kann, die ohne wesentliche Rückwirkung auf die Unternehmenssphäre (Enterprise value, Value creation) bleiben und somit nicht Gegenstand der Berichterstattung werden, da die Informationen über solche Effekte für Investoren nicht relevant bzw. wesentlich sind. Dies wäre der Fall, wenn die Rückwirkungen außerhalb des betrachteten Zeithorizonts erwartet werden oder weil die quantifizierbaren Rückwirkungen zwar innerhalb des betrachteten Zeithorizonts, aber so weit in der Zukunft liegen, dass deren gedanklicher Barwert zum heutigen Zeitpunkt unwesentlich ist oder weil Rückwirkungen auch bei einem unendlichen Zeithorizont nicht erwartet werden. Unter dieser Annahme könne man zwischen inside-out-Effekten mit Rückwirkung auf das Unternehmen und inside-out-Effekten ohne Rückwirkung (reine inside-out-Effekte) unterscheiden. Für letztere bestünde aufgrund der Zielsetzung des IASB für den PS 1 kein Raum im Lagebericht, da dieser die Kapitalgeber mit wesentlichen (!) Informationen zu Themen der Unternehmenssphäre bedient. Hingegen fordern impact-bezogene Berichtsstandards (wie vermutlich zukünftig GRI 101 Foundation) auch die Angabe solcher Effekte, wie in der freiwilligen Nachhaltigkeitsberichterstattung oftmals festzustellen ist.
In Bezug auf die vom IASB aufgeworfene Frage zur Wechselwirkung des PS 1 mit den zukünftigen ISSB-Standards bestand daher im Fachausschuss Unsicherheit dahingehend, wie der ISSB den Gehalt nachhaltigkeitsbezogener Informationen definieren und wie sich seine Sicht auf inside-out-Effekte ohne Rückwirkung darstellen wird. Es könne demnach zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, dass unter Anwendung des PS 1 und der ISSB-Standards zwei Berichte zu erstellen sind, da reine inside-out-Effekte nach den entworfenen Regeln im ED zwar grundsätzlich Bestandteil eines Lageberichts sein dürfen, aber mit einer zusätzlichen Konditionierung versehen sind, was diesen Informationen zumindest nicht die gleiche Priorität zuweist, wie den unternehmenswertrelevanten Informationen. Folgerichtig wäre daher die Empfehlung an den IASB, mit der weiteren Arbeit an PS 1 zu warten, bis die Unsicherheiten in Bezug auf den Ansatz des ISSB ausgeräumt sind.
Den Ausführungen im ED hinsichtlich der Ermessensentscheidungen der Unternehmensleitung für die Identifikation wesentlicher Informationen stimmte der GFA dem Grunde nach zu. Er begrüßte insbesondere die explizite Bezugnahme des IASB auf die entsprechenden Ausführungen und Erläuterungen im Conceptual Framework und im IFRS Practice Statement 2 „Making Materiality Judgements“ als konzeptionelle Grundlage für die Leitlinien im ED. Der GFA betonte jedoch die hohe Bedeutung konsistenter Definitionen und Begriffe im Zusammenhang mit diesen IASB-Verlautbarungen. Auch wenn der IASB für den Lagebericht bestimmte Besonderheiten sieht, z.B. stärkere Aggregation von Informationen, dürfe die grundsätzliche Operationalisierung des Begriffs Wesentlichkeit für den Lagebericht nicht anders erfolgen als für Zwecke der Abschlussbestandteile. Jede Abweichung in Terminologien und Erläuterungen berge hingegen ein gewisses Risiko, diese Abweichungen als Indiz für inhaltliche Unterschiede zu interpretieren. Nach dem Verständnis des Fachausschusses sei dies nicht sachgerecht und durch den IASB allerdings auch nicht intendiert.
Thematisiert wurde zudem die Aussage im ED, wonach Ersteller von Lageberichten die von Peer-Group-Unternehmen in deren Lageberichten bereitgestellten Informationen als Anhaltspunkt für die eigene Berichterstattung heranziehen. Der Fachausschuss stellte fest, dass ein solches Benchmarking in der Praxis nicht unüblich und für Ersteller durchaus hilfreich ist, kritisierte jedoch die Formulierung der Aussage im ED. In Jurisdiktionen, in denen die Beachtung des PS 1 vorgeschrieben ist, könnte die Aussage in Tz. 12.5 des ED als Pflicht zur Analyse von Peer-Group-Lageberichten verstanden werden. Der GFA lehnte eine derartige Pflicht ab und empfahl daher, die als Anforderungen ausgestaltete Formulierung entsprechend abzuschwächen.
Die vom IASB vorgestellten weiteren qualitativen Eigenschaften, wie z.B. Vollständigkeit und Ausgewogenheit, wurden vom Fachausschuss als inhaltlich sachgerecht eingestuft. Er begrüßte ferner die Bezugnahme des IASB auf die im Conceptual Framework niedergelegten qualitativen Eigenschaften von Abschlussinformationen, problematisierte jedoch die für den PS 1 vorgeschlagenen sprachlichen Vereinfachungen bzw. terminologischen Anpassungen (z.B. „Clarity and conciseness“ vs. „Understandability“). Zwar erscheine die vom IASB angeführte Begründung nachvollziehbar (der Kreis von Personen, die mit der Aufstellung von Lageberichten befasst sind, ist nicht in jedem Fall identisch mit dem Personenkreis, welcher den Abschluss aufstellt), die gewählte Vorgehensweise jedoch nicht zielführend. In Analogie zur Diskussion um die Ausübung von Wesentlichkeitsentscheidungen empfahl der GFA dem IASB, im ersten Schritt die Terminologie des Conceptual Framework ohne Abweichungen in den PS 1 zu übernehmen. Im zweiten Schritt könne diese Terminologie für Zwecke des Lageberichts durch zusätzliche Erläuterungen verständlicher gemacht werden, soweit der IASB diese aufgrund der abweichenden Personenkreise für notwendig erachtet. Die Aufnahme der zusätzlichen, im Conceptual Framework nicht behandelten qualitativen Eigenschaft „coherence“ in den ED fand sachliche und inhaltliche Unterstützung, insbesondere in Bezug auf das Einklangserfordernis von Lagebericht und Abschluss.
Die Hinweise des IASB zum Thema Verweise wurden vom GFA grundsätzlich positiv beurteilt, da Verweise den Umfang, aber nicht den Inhalt des Lageberichts begrenzen. Allerdings seien Verweise in der Praxis, insbesondere der Prüfungspraxis, nicht in jedem Fall hilfreich, da die Inhalte, auf die verwiesen wird, zu Dokumentationszwecken mitunter aufwendig reproduziert und aufbewahrt werden müssen. In solchen Fällen sei es fraglich, ob der Aufwand die Vorteile eines weniger umfangreichen Lageberichts rechtfertigt. Einschränkend merkte der Fachausschuss ferner an, dass Verweise nur verwendet werden sollten, solange der Lagebericht ein in sich geschlossener Bericht bleibt.
Grundsätzlich positiv bewertete der Fachausschuss die dezidierte Auseinandersetzung mit qualitativen Eigenschaften der im Lagebericht dargestellten Metriken. Er begrüßte dabei insbesondere die allgemeine und breit angelegte Definition des Begriffs „metric“ und fand insofern keine Unterstützung für die im Stellungnahmeentwurf der EFRAG diesbezüglich enthaltenen Vorbehalte. Leitend für den Fachausschuss waren hierbei auch die Diskussionen zum IASB Projekt Primary Financial Statements, die unter anderem eine Kritik an der zu eng angelegten Definition des Begriffs „key performance indicators“ zutage gefördert hatten. Deutliche Kritik des GFA fanden die Ausführungen des IASB zur Eigenschaft der Vergleichbarkeit in Bezug auf berichtete Metriken anderer Unternehmen, die nicht aus Abschlussdaten abgeleitet werden. Zum einen sei die Anforderung, bekannte Unterschiede in Bemessungs-/Berechnungsmethoden oder in der Bezeichnung zu erläutern, weder inhaltlich angemessen noch praktikabel. Zum anderen könne die Formulierung in Tz. 14.10 des ED als Pflicht verstanden werden, den Gleichlauf der eigenen Bemessungs-/Berechnungsmethoden mit denen anderer Unternehmen regelmäßig zu überwachen, was aus Sicht des GFA ebenso abzulehnen sei. Der Fachausschuss begründete seine Kritik in erster Linie mit dem vom IASB propagierten (und vom GFA unterstützten) Management Approach. Dieser Ansatz stelle die Sichtweise der Unternehmensleitung für die Inhalte des Lageberichts in den Vordergrund und stünde im Widerspruch zu der vorgeschlagenen Anforderung in Bezug auf die Vergleichbarkeit mit Angaben anderer Unternehmen. Unter dem Management Approach sei es zwingend der Unternehmensleitung zu überlassen, ob und wie weit die Angaben anderer Unternehmen als relevant für die eigene Berichterstattung erachtet werden. Zudem mangele es bei etlichen Metriken, insbesondere bei nicht aus Abschlussdaten abgeleiteten Angaben, an einem einheitlichen Sollobjekt. Insofern sei eine Anforderung zur Erläuterung von Abweichungen in Bezug auf ihren Informationsgehalt oftmals fraglich.
Unterstützung fanden die Ausführungen des IASB zu den qualitativen Eigenschaften von im Lagebericht angegebene Metriken mit Zukunftsbezug, auch da hier Analogien zu den Inhalten des DRS 20 Konzernlagebericht bestünden, insbesondere den Vergleich von Soll- und Ist-Größen betreffend.
Die im ED enthaltenen zahlreichen Beispiele für Informationen, die wesentlich sein könnten, wurden vom Fachausschuss positiv gewürdigt. In Fortführung seiner Kritik am Fehlen der Themen „Governance“ und „Chancen“ (im Kontext der Risiken, siehe Bericht zur 23. Sitzung des GFA) regte der Fachausschuss an, auch für diese Themen entsprechende Beispiele aufzunehmen, nicht jedoch ohne deren vorherige konzeptionelle Behandlung. Zudem möge der IASB eine leicht geänderte Formulierung der Überschrift erwägen, um den unverbindlichen Charakter der Beispiele deutlicher zu demonstrieren. Insofern schloss sich der GFA der vorläufigen Ansicht der EFRAG an, er befürwortete jedoch nicht die im EFRAG Stellungnahmeentwurf vorgebrachte Forderung zur Aufnahme weiterer (über Governance und Chancen hinausgehender) Beispiele.
Mit Blick auf die zu erwartende (begrenzte) Relevanz des überabeiteten PS 1 in Deutschland beurteilte der Fachausschuss die vorgeschlagene Regelung zum Inkrafttreten als angemessen. In jenen Jurisdiktionen, in denen die Beachtung des PS 1 vorgeschrieben ist, mag hingegen eine Übergangsfrist sinnvoll erscheinen.
Schließlich nahm der GFA die in der Basis for Conclusions des ED enthaltene Auswirkungsanalyse zur Kenntnis, beschloss aber, hierzu nicht Stellung zu beziehen. Die Frage des IASB, ob die entworfenen neuen Regeln des PS 1 für Prüfung und Enforcement geeignet scheinen, könne aus Sicht des Fachausschusses zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Verbindlichkeit beantwortet werden. Er verwies auf die Notwendigkeit entsprechender Field Tests, die zuvor durchgeführt werden sollten.
Der Fachausschuss beauftragte den Mitarbeiterstab mit dem Entwerfen einer Stellungnahme und überließ es dem Ermessen des Mitarbeiterstabs, die Stellungnahme entweder am 5. November 2021 auf der nächsten Sitzung des Fachausschusses zu diskutieren und zu verabschieden oder die Verabschiedung im Umlaufverfahren ohne erneute Befassung des GFA anzustrengen.