IASB Power Purchase Agreements (Änderungen an IFRS 9)
Aktueller Stand
Der IASB hat am 18. Dezember 2024 Änderungen an IFRS 9 und IFRS 7 unter dem Titel Contracts referencing nature-dependend electricity (Amendments to IFRS 9 and IFRS 7) veröffentlicht. Die Änderungen sind ab 1.1.2026 verpflichtend anzuwenden, eine freiwillige frühere Anwendung ist zulässig.
Zuvor hatte der IASB im Dezember 2023 beschlossen, einen Entwurf (Exposure Draft) für spezifische Änderungen und Klarstellungen an IFRS 9 zu entwickeln. Dieser soll Vorschläge sowohl zur Anpassung der Regeln zur Eigenbedarfsausnahme als auch zur Nachbesserung der Hedge Accounting-Bedingungen enthalten.
Sodann wurde am 8. Mai 2024 ein entsprechender Entwurf (Exposure Draft ED/2024/3) unter dem Titel Contracts for Renewable Electricity (Proposed Amendments to IFRS 9 and IFRS 7) veröffentlicht und bis 7. August 2024 zur Konsultation gestellt.
Hintergrund des Projekts / Problemstellung
Die Problemstellung – Bilanzierung von Stromlieferverträgen unter IFRS 9 – wurde im Herbst 2022 aufgebracht und insb. in Europa erstmals verstärkt diskutiert und sodann dem IASB und dem IFRS IC vorgetragen. (Gleichwohl sei erwähnt, dass bereits 2021 eine ähnliche Frage beim IFRS IC besprochen wurde; diese mündete in eine Agenda-Entscheidung.)
Gegenstand waren zunächst Stromlieferverträge mit physischer Lieferung (sog. physical PPA, pPPA), bei denen die Anwendbarkeit der Eigenbedarfsausnahme fraglich und teils sogar ausgeschlossen ist. Ursache hierfür ist, dass die als Wind- und Solarstrom erzeugte und kontrahierte Strommenge naturgemäß schwankt und daher nicht zuverlässig bestimmbar ist, und dass es somit zu temporären (und teils auch gesamtheitlichen) Über- bzw. Unterdeckungen zwischen Lieferung und Bedarf („Verbrauch“) kommt. Mangels Speicherbarkeit führt die jeweilige Abweichung zu einem unbeabsichtigten, erzwungenen temporären (Teil-)Verkauf oder -Zukauf.
Die Diskussion entstand, weil trotz des eindeutigen Zwecks „Eigenbedarf“ und einer tatsächlichen Lieferung die Bedingungen für die Eigenbedarfsausnahmeregelung in IFRS 9 (insb. vollständiger Eigenverbrauch nebst Verbot eines Verkaufs zwecks Gewinnerzielung) und deren bisherige Auslegung nicht anwendbar scheinen.
Später zeigte sich, dass in einigen Märkten rein virtuelle PPA (vPPA), also Verträge, bei denen eine physische Lieferung niemals möglich oder vorgesehen ist, vorkommen und – markt- bzw. netzstrukturbedingt – sogar überwiegen. Zwar ergibt sich hier nicht das Problem der strittigen Anwendbarkeit der Eigenbedarfsausnahme, aber die Bilanzierung als Derivat (at FVtPL) und die Anwendbarkeit des Hedge Accounting unterliegen Zweifelsfragen und stehen deshalb im Fokus der Diskussion.
Ziel und Inhalt der Änderungen
Ziel ist, ausgewählte Vorschriften in IFRS 9 klarzustellen und anzupassen, welche sich bei der Bilanzierung von bestimmten physisch oder virtuell erfüllbaren Stromlieferverträgen als herausfordernd erwiesen haben. Dies ist dann der Fall, wenn bei solchen Verträgen mit spezifischen Merkmalen die produzierte Strommenge abzunehmen ist, auch wenn diese zu bestimmten Zeitpunkten nicht exakt dem Bedarf entspricht, insb. da solche Verträge meist langfristig sind.
Konkret enthält das verabschiedete Dokument IFRS 9-Änderungen betreffend
- die Anwendung der Eigenbedarfsausnahme in IFRS 9.2.4 (own-use exemption),
- die Anwendung des Hedge Accounting, wenn solche Verträge als Sicherungsinstrumente verwendet werden,
- Zusatzangaben, um die Auswirkungen solcher Verträge auf das Ergebnis und künftige Zahlungsströme des Unternehmens zu veranschaulichen.
Projekthistorie und Beschlüsse
Im März 2023 wurde das Thema förmlich als Submission beim IFRS IC eingereicht. Daraufhin hatte das IFRS IC den üblichen sog. Outreach weltweit durchgeführt. Diese Erhebung ergab, dass die Problemstellung weltweit verbreitet und relevant bzw. wesentlich ist.
Sodann hat das IFRS IC in der Sitzung Juni 2023 das Thema erörtert und einerseits die Verbreitung und Relevant bestätigt und andererseits Unklarheiten bzw. fehlende Detailregeln in IFRS 9 konstatiert. Folglich wurde beschlossen, dem IASB begrenztes Standardsetting zu empfehlen.
Sodann hat der IASB in der Sitzung Juli 2023 das Thema und die IFRS IC-Erkenntnisse besprochen. Ergebnis war, dass man zunächst die Relevanz und Verbreitung („prevalence“) verifizieren und den Kreis relevanter Vertragsarten („scope“) eingrenzen möchte; der IASB hatte daher vorerst ein „Forschungsprojekt“ beschlossen.
In der ASAF-Sitzung im September 2023 wurde die Relevanz und Verbreitung bestätigt und detailliert Input bzgl. Scope gegeben. Es wurde bestätigt, dass sowohl pPPA als auch vPPA zur Diskussion stehen und deren Bilanzierung einer Klarstellung bedarf.
Im November 2023 hat sich das IFRS IC erneut mit diesem Thema befasst. Einerseits wurden Fragen des „scoping“ erörtert. Andererseits wurden mögliche „standard-setting approaches“ diskutiert.
Sodann hat der IASB im Dezember 2023 formell beschlossen, einen Änderungsentwurf (Exposure Draft) zu entwickeln. Dieser soll Vorschläge sowohl zur Anpassung der Regeln zur Eigenbedarfsausnahme als auch zur Nachbesserung der Hedge Accounting-Bedingungen enthalten. Dessen Inhalte wurden bis April 2024 erarbeitet.
Anfang Mai 2024 schließlich hat der IASB entsprechende Vorschläge als Entwurf publiziert und zur Konsultation gestellt.
Befassung durch das DRSC
Das DRSC hatte bereits im Herbst 2022 Kenntnis von der Problemstellung und deren Diskussion erhalten. Daraufhin wurde das Thema fachlich-inhaltlich sowohl dem FA FB als auch der DRSC-AG „Finanzinstrumente“ vorgetragen und entsprechend debattiert.
Im Zuge des Outreach durch das IFRS IC hat das DRSC die Fragestellung erörtert und erstes Feedback von Stakeholdern in Deutschland zusammengetragen. Auf dieser Basis hat das DRSC eine Rückmeldung zum Outreach formuliert, die zugleich öffentlich gemacht wurde (News und Schreiben vom 18.5.2023). Daraufhin haben wir die betroffenen und interessierten Unternehmen regelmäßig über den Fortgang der Diskussion unterrichtet. Ergänzend haben wir diese Unternehmen gebeten, uns qualitativen und quantitativen Input bzgl. Betroffenheit/Relevanz der diskutierten Verträge zu geben. Das erhaltene Feedback wurde bei den Diskussionen im ASAF eingebracht.
Der FA FB wurde über den IASB-Beschluss, ein entsprechendes Standardsetting-Projekt zu starten, und die konkreten (wenngleich vorläufigen) IASB-Ideen zu Art und Umfang potenzieller konkreter Anpassungen/Klarstellungen in IFRS 9 informiert und hat diese eng verfolgt.
Nach Publikation des IASB-Entwurfs hatte der FA FB die Änderungsvorschläge intensiv erörtert und dabei auch betroffene oder anderweitig interessierte Stakeholder eingebunden. Daraufhin hatte das DRSC eine Stellungnahme erarbeiten und im August 2024 an den IASB übermittelt.